Seit gut einem Monat bin ich nun Besitzer eines Motorola Milestone, eines der bislang meistgehypten Android-Handys (die anderen sind, nehme ich an, das T-Mobile G1, das HTC Hero und das Google Nexus One).

An sich ist es ein sehr nettes Gerät. Die Konzepte, die dem Betriebssystem zugrundeliegen, sind interessant und gut durchdacht, die Präsenz einer Kamera mit LED-Blitzlicht ist eine feine Sache, und die Anzeige auf dem Bildschirm ist wunderschön und klar. Mit Android 2.0 bekommt man eine von Drittanbietersoftware momentan und mit etwas Glück auch mittelfristig gut unterstützte Version des Betriebssystems. Eigentlich könnte man rundum zufrieden sein...

...wäre da nicht die Sache mit den Updates. Motorola scheint das Milestone-Pendant in den USA, dort bekannt als Motorola Droid, schnell mit neuen Softwareversionen zu versorgen. Nachdem 2.0.1 schon seit über einem Monat für das amerikanische Gerät verfügbar ist, sollte man meinen, daß es auch langsam seinen Weg nach Europa finden würde, vor allem, wenn man bedenkt, wie gesegnet die 2.0-Version mit Fehlern ist. Leider dringen aus den Motorola-Firmengebäuden nur vage Versprechungen von einem bald erscheinenden Update heraus. Keine Angaben zum Erscheinungsdatum, nicht einmal die einer Größenordnung von Zeiteinheiten, die man noch warten müssen wird.

Man könnte jetzt aber natürlich fragen: Was ist eigentlich so schlimm daran, daß gerade für den Milestone die Updates mit so geringer Geschwindigkeit eintrudeln? Das Gerät funktioniert schließlich immer noch besser als viele andere Telephone (auch, wenn die Kamera intolerabel langsam ist und das Betriebssystem hin und wieder seltsame Dinge tut oder abstürzt, besonders mitten in Gesprächen). Und überhaupt: Die meisten Handys werden nach dem Erscheinen gar nicht upgedatet. Warum sind Updates fürs Milestone so wichtig?

App-Phones sind nicht „Smartphones“

Früher war die Welt für die Hersteller von mobilen Handfunkgeräten noch einfach: Gerät entwickeln, Software entwickeln, beides zusammenwerfen, ab damit zum Kunden, das Gerät vergessen, ein neues Gerät entwickeln, Software dafür und so weiter. Handys mußten nicht viel leisten, und das, was sie leisten mußten, war nicht allzu aufwendig. Außerdem waren die Geräte nicht ungeheuer teuer. In jedem Handy war ein bestimmtes Featureset fest eingebaut, und man konnte dem Kunden zumuten, für jede Funktion, die neu hinzukam, ein neues Handy zu kaufen.

Dann kam das iPhone, und alles änderte sich. Auf einmal war es nicht mehr das fest eingebaute Featureset, das das Telephon definierte, sondern das, was man dazuinstallieren konnte. Zugleich wurde die Anschaffung so teuer wie die eines einfachen PCs und damit zu einer Investition für mehrere Jahre. Das Handy, das zuvor ein integriertes Gerät gewesen war, wurde zur Plattform.

Nun haben es Plattformen so an sich, daß neue Versionen in der Regel auch neue Funktionen bieten, so daß Anwendungen, die für eine neue Version der Plattform geschrieben wurden, auf älteren Versionen der Plattform nicht mehr laufen. Softwareentwickler müssen sich entscheiden, welche Versionen der Plattform sie unterstützen. Für die Lebendigkeit der Plattform selbst ist es dabei von großer Wichtigkeit, daß neu eingeführte Features auch in den meisten Fällen ohne schlechtes Gewissen verwendet werden können. Nur so kann eine Weiterentwicklung stattfinden.

Apple löst dieses Problem auf die denkbar einfachste Weise: Sie sorgen dafür, daß die neueste Betriebssystemversion stets für die große Mehrheit der iPhone-Besitzer zur Verfügung steht. Selbst auf dem ältesten iPhone, das inzwischen schon zweieinhalb Jahre alt ist, läuft die aktuellste Version des iPhone OS (momentan 3.1.2). Nicht nur das, auch der iPod Touch trägt zur Ausbreitung derselben Plattform bei, indem auch auf ihm stets die aktuelle Version des iPhone OS verfügbar ist.

Natürlich wird ein und dasselbe Gerät nicht unendlich lange unterstützt werden. Aber zweieinhalb Jahre — darauf kann man sich bei Apple eben schon einmal einstellen. Das tut nicht nur der Plattform und den Entwicklern gut, sondern auch den Kunden. Wenn man heute ein iPhone der neuesten Generation kauft, kann man sich darauf verlassen, daß es eben nicht innerhalb eines halben Jahrs schon wieder überholt ist. Es mag dann nicht mehr zur Spitzenklasse gehören, vielleicht ein bißchen langsamer sein als das neueste Modell, aber so gut wie all neue Software wird darauf problemlos laufen. Ein iPhone ist eine sichere Investition.

Warum hat Google ein eigenes Handy herausgebracht?

Ich vermute, daß genau diese Plattform-Problematik es war, die Google dazu bewogen hat, ein eigenes Handy auf den Markt zu bringen. Zuvor hatten sie noch explizit angekündigt, eben dies nicht tun zu wollen. Google gab der Industrie das Werkzeug, um mit dem iPhone zu konkurrieren, und verließ sich darauf, daß diese auch begreifen würde, wie man das macht.

Die Handyhersteller jedoch wollten es nicht verstehen. Sie klammerten sich an ihr überholtes Geschäftsmodell, an ihren gewohnten Aktuelles-Handy-rausbringen-neues-Handy-entwickeln-altes-Handy-vergessen-Zyklus. Das Resultat: Ein Wirrwarr aus nicht upgradebaren Telephonen mit verschiedenen Android-Versionen, Anwendungen, die auf diesen Geräten laufen, aber nicht auf jenen, und frustrierte Käufer, die ewig auf dringend nötige Fehlerbehebungen warten müssen, kurz: eine Katastrophe für Entwickler und Endbenutzer gleichermaßen.

Um die Plattform nach vorne zu treiben, hat Google also notgedrungen das Ruder selbst in die Hand genommen. Wenn Googles Partnern dadurch jetzt Einnahmen verloren gehen und sie von Verrat und Markenmißbrauch zu sprechen anfangen sollten, kann man dem nur entgegenhalten, daß sie die Schuld nur bei sich selbst zu suchen haben. Schließlich hat Google ihnen die Gelegenheit gegeben, sich gegenüber Apple neu aufzustellen. Daß sie zu hochmütig waren, diese zu nutzen, zeigt nur, wie umsatzorientiert und kurzsichtig sie denken. Früher oder später werden sie mit Erschrecken feststellen, daß unmittelbarer Umsatz nicht alles ist. Nur wird es dann für die meisten von ihnen zu spät sein.

Und der Benutzer?

Für den gemeinen Benutzer bedeutet das: Wer ein Motorola-, Sony-Ericsson- oder Samsung-Handy mit Android kauft, wird sich darauf einstellen müssen, stiefmütterlich behandelt zu werden und in ein, zwei Jahren festzustellen, daß das Handy, das man sich gekauft hat, die meisten verfügbaren Programme nicht ausführen kann. Da die Anwendungen aus dem Android Market letztlich fast den ganzen Wert eines Android-basierten Geräts ausmachen, wird der betroffene Kunde enttäuscht sein. Die Plattform wird leiden, die Kunden werden leiden, und, wenn Letztere vernünftig sind, auch die Handyhersteller.

Mein Rat steht also fürs erste fest: Jeder Hersteller von Android-Geräten, bei dem nicht davon auszugehen ist, daß er seine Geräte über längere Zeit (d.h. allermindestens zwei Jahre) mit den neuesten Android-Versionen versorgen wird, ist zu meiden. Man mag hier einem unbeschriebenen Blatt einerseits den Vorzug des Zweifels geben (wie ich das mit Motorola tat); andererseits mag man argumentieren, daß bei Google auch nicht klar ist, wie sie die Updates des Nexus One handhaben werden. Dennoch: Im Moment sieht es danach aus, als wäre, wenn man die Updateproblematik in Betracht zieht (und das sollte man, da bin ich mir sicher), das Nexus One die bessere Wahl als der Motorola Milestone.