Pico Lisp ist ein Lispdialekt ohne lexikalische Variablen, der grundsätzlich nicht kompiliert, sondern interpretiert wird, und der sich durch seine Minimalität auszeichnet.
Eigentlich nicht weiter interessant, möchte man meinen, und sicherlich für die meisten Einsatzzwecke praxisuntauglich. Überhaupt hört sich die Idee verdächtig ähnlich zu der von newLISP an, und das kann ja wohl keine gute Sache sein.
Wenn man sich aber die Dokumentation durchliest, erhält man den Eindruck, daß sich da jemand ziemlich genaue Gedanken darüber gemacht hat, warum alles in Pico Lisp so zu sein hat, wie es ist. Es ist von dynamischen Closures die Rede und von erzwungener Starrheit durch den Einsatz von Compilern anstelle von leichtgewichtigen, effizienten Interpretern. Als Alternative zu lexikalischen Variablen wird ein neuartiger Umgang mit Symbolen propagiert. Es wird vorgeschlagen, daß die Auslagerung von effizienzkritischem Code in C-Module womöglich ein recht geringer Preis für die Dynamik und Einfachheit des Systems ist.
In meinem Kopf entwickelt sich gerade ein Bild von einer kahlen Lichtung, die von Steinwänden umgeben ist. Hinter uns liegt ein Pfad, auf dem verschiedene Metallklumpen, Steinbrocken und andererseits auch Schleimpfützen herumliegen, mit Beschriftungen wie »MACLISP«, »InterLISP«, »BBN LISP«, »T« und »NIL«. Neben uns liegt ein wohlgeformter, harter, rundlich flacher Stein, der klein genug ist, um ihn in die Hand zu nehmen und in die Tasche zu stecken. Er ist mit der Aufschrift »Scheme« versehen.
Vor uns ragt ein gewaltiger Lehmklumpen in die Höhe. Man kann Lehm vom Boden aufnehmen, formen und auf dem Lehmklumpen anbringen, und dieser assimiliert den hinzugefügten Lehm, so daß er nicht vom Rest des riesigen Klumpens zu unterscheiden ist. Wir stehen vor dem mächtigen Common Lisp, das Verteidigungsanlagen zerschmettern kann, wenn es einmal anfängt, loszurollen, und das ohne zu murren jedes Feature in sich aufnimmt, das ihm der Anwender auf den Leib klebt.
Doch was ist das? Unter dem Klumpen kriecht ein kleiner Käfer hervor. Der Käfer ist häßlich und hinkt, und er scheint harte und weiche Stellen an völlig unpassenden Stellen zu haben, aber ihm folgt ein weiterer Käfer, der noch etwas kleiner ist, schöner aussieht und einen biegsamen Körper zu besitzen scheint. Sind diese Käfer etwa ein unscheinbares Indiz dafür, daß hinter dem Lehmklumpen, der uns aufgrund seiner Größe die Sicht versperrt, eine Welt existiert, die wir noch nicht kennen? Oder kommen die beiden Käfer lediglich aus dem Weg hinter uns und nur zum Schein von jenseits des Klumpens?
Womöglich liegt jenseits des Klumpens ein noch gewaltigerer Klumpen mit noch größerer Macht und einer anderen Beschaffenheit. Vielleicht eröffnet sich auch der Blick auf eine grüne Wiese mit lauter kleinen Käfern und vielleicht Schmetterlingen und anderen Lebewesen. Oder aber hinter dem Klumpen ist nur die Steinwand.
Wir wissen es nicht. Der Klumpen liegt im Weg, und er rührt sich nicht.
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